Die Faszination des Segeln eingefangen
Hamburg, 31. August 2020: Das Spiel mit Farben hat Heinke Böhnert bereits als Kind fasziniert. Dann kam die Leidenschaft fürs Segeln dazu. Längst hat die Hamburgerin beides erfolgreich verbunden. Als Künstlerin kombiniert sie Original-Segel mit dem expressionistischen Auftrag von Acrylfarben zu Collagen in einem neuen Genre der traditionellen Marinemalerei. Nicht nur Segler wie Norwegens König Harald V. wissen ihr Werk zu schätzen, zu den Liebhabern gehören auch Bundesfamilienministerin Franziska Giffey und Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther. Jetzt stattet sie die Kabinen des neuen Dreimast-Vollschiffs Sea Cloud Spirit mit ihren Werken aus.
Das Atelier in einem belebten Hamburger Stadtbezirk ist ein Kunstwerk für sich. Hinter einem Tisch voller Farbtöpfe und -tuben arbeitet Heinke Böhnert an ihrem jüngsten Bild. Pinselstrich für Pinselstrich wird ein dichter Pulk von Regattaschiffen in der Startphase sichtbar. Die spannungsgeladene Dynamik zu Beginn der Wettfahrt hat Spuren im Atelier hinterlassen – Farbtupfer an der Wand und auf dem Polo-Hemd der Künstlerin. „Kleinen Moment, ich muss noch das Weiß hier vollenden“, ruft sie, „wäre schade, wenn die Farbe antrocknet.“ Die Kunst-Pause ist Gelegenheit für einen Blick in die einstige Souterrain-Wohnung. Im Gang Bereich lehnen fertige Bilder an der Wand. Im Raum neben dem Eingang türmen sich im munteren Durcheinander Stoffbahnen und -stücke von unterschiedlicher Farbe und Materialität. „Das ist meine Schatzkammer“, ruft Heinke Böhnert, „das sind Segel von zum Teil bekannten Yachten und Booten.“ Tatsächlich bestimmt reales Segeltuch ihre Arbeit. Geschickt zurechtgeschnitten nimmt der Stoff wieder Segelform an; in Kombination mit einem haptisch wirkenden Auftrag von Acrylfarbe entstehen fast dreidimensionale Einblicke in die Dynamik des Segelsports.
Dynamik des Segelns als moderne Variante dramatischer „See-Stücke“
Mit der kombinierten Darstellung von Segelbooten und Meereswelten gehört Böhnerts Werk prinzipiell zum traditionellen Genre der Marinemalerei. Seit dem 16. Jahrhundert waren die „See-Stücke“ entweder Auftragsarbeiten, auf denen Reeder und Kaufleute ihre Flotte porträtieren ließen, oder dramatisierte Darstellungen von Kampf mit der Natur, von Seenot, Elend und rettendem Heldentum. „Solche dramatischen Szenerien mag ich nicht“, räumt Heinke Böhnert offen ein: „Ich kann dabei nicht vergessen, dass in den meisten Fällen Menschen in Gefahr oder sogar ums Leben gekommen sind.“ Als passionierter Seglerin liegen der Künstlerin die leichte Seite, das positive Erlebnis und die Faszination des Segelns näher. Selbst Laien aus dem tiefsten Binnenland können in der Wahl der Farben und der Dramaturgie des Pinselstrichs sofort die Stimmung und die Atmosphäre spüren, die Heinke Böhnert beim Gestalten des jeweiligen Bildes im Kopf hatte: „Das Meer und das Segeln sind so vielseitig, die Stimmung kann von Sekunde zu Sekunde wechseln“, sagt sie, „an Bildideen wird es mir wohl nie mangeln.“
Als Regattaseglerin in den ersten Reihen der Ranglisten
Heinke Böhnerts Vorliebe gilt den Expressionisten; sie hat sich mit ihrer Maltechnik beschäftigt und auch mit der Weise, wie sie Licht, Farben und Stimmungen ausdrücken. Farben faszinierten sie schon als Kind: „Ich habe alles gesammelt, was bunt war und mit dem man Buntes herstellen konnte. Farbstifte, Wollfäden, Stoffe: „Damit habe ich dann experimentiert.“ Dieses Interesse traf im Jugendalter auf die Leidenschaft fürs sportliche Segeln, die sie bis heute mit ihrem Mann und den inzwischen erwachsenen Kindern teilt. Als Regattaseglerin fuhr Heinke Böhnert mit 470er Jollen in den ersten Reihen der Ranglisten. Als die Familie wuchs, wuchs auch die Bootsgröße. Aktuell ist es eine 50-Fuß-Yacht, gerade haben Mann und Kinder eine dreijährige Weltumsegelung in Etappen hinter sich. Heinke Böhnert war auf den schönsten Strecken dabei. Als Mann und Tochter an der berühmten Hochseeregatta Sydney – Hobart teilnahmen, betreute sie Boot und Team als „Shore-Crew“ von Land aus. Leise klingt Stolz über das Ergebnis mit: „Wir waren das schnellste Schiff in der Amateurklasse.“
Segel-Legenden füllen die Schatzkammer der Künstlerin mit Segeltuch
Die jahrelange Präsenz in der Regattaszene hat ihr Kontakte beschert, mit deren Hilfe sie ihre „Schatzkammer“ füllen kann: „Unter den Segeln hier sind einige, die Sportgeschichte geschrieben haben.“ Deutschlands derzeit bekanntester Profisegler, Boris Herrmann, hat ihr ein Segeltuch der Yacht „Malizia“ geschenkt, mit der er die Klimaaktivistin Greta Thumberg nach New York brachte und im Herbst zum Non-Stop-Einhand-Rennen „Vendée Globe“ um die Welt starten wird. Das Siegerteam des ebenso harten Volvo-Ocean-Race stiftete Hightech-Segelstoff von Bord der „Dongfeng“; und von einem Teilnehmer des nächsten America’s Cup bekam sie ein Stück Segeltuchverkleidung des „Foils“ – der die Super-Rennyacht aus dem Wasser heben und zu bislang unerreichbaren Geschwindigkeiten bringen soll. „Eigentlich sind solche Hightech-Entwicklungen streng geheim“, umschreibt Heinke Böhnert den Wert dieses Stück steinhart laminierten Stoffes. Sorgfältig schneidet die Künstlerin die Segelstücke zu schmalen Dreiecken – auf die Leinwand geklebt und um ein bisschen Farbe ergänzt, entsteht so die Impression eines Segelschiffes, das in rauschender Fahrt durchs Wasser zieht. „Die Struktur des Stoffes, die Segelnähte und auch Fragmente der Segelnummer oder des Klassenzeichens geben mir Anregungen für das Bild, das daraus entsteht“, erläutert Heinke Böhnert.
Kunstwerke aus alten Rahsegeln für eine neue Windjammer-Legende
Derzeit bearbeitet sie ein Stück Segel, das besonders stark und schwer zu sein scheint. „Es ist ein Original-Segel der Sea Cloud, die im kommenden Jahr ihren 90. Geburtstag feiert“, weiß Heinke Böhnert. Die Hamburger Reederei Sea Cloud Cruises lässt derzeit ein neues 138 Meter langes Dreimast-Vollschiff bauen, das künftig mit maximal 136 Passagieren auf Fahrt gehen wird. Heinke Böhnert stattet die Hälfte der Kabinen des Fünf-Sterne-Schiffs mit ihren Kunstwerken aus. „Das ist schon eine Herausforderung; jede Kabine soll ein individuelles Bild bekommen, zugleich sollen die Kunstwerke eine gemeinsame Linie haben.“ Das Grundmotiv ist eine Flotte so genannter „12er“. Diese eleganten Yachten prägten in den 1930er Jahren das Geschehen auf den Regattabahnen und sind ein Teil der Segelkultur, zu der Sea Cloud gehört. Die Viermastbark wurde 1931 als Privatyacht der amerikanischen Unternehmerin Marjorie Merriweather Post in Kiel gebaut. „Ihr Stil spiegelt sich in dem Neubau wider, der deswegen den Beinamen Spirit trägt“, weiß Heinke Böhnert, „da ist es doch naheliegend, dies auch in die Kunst an Bord einfließen zu lassen.“
Ehrengeschenk für Norwegens König Harald V. gestaltet
Der Auftrag ist nicht ihre erste Arbeit für besondere Kunden. Im vergangenen Jahr gestaltete sie die Ehrengeschenke zum 125-jährigen Bestehen der Kieler Woche, die sie an Bundesfamilienministerin Franziska Giffey und Schleswig-Holsteins Ministerpräsidenten Daniel Günther überreichte: „Frau Giffey war so begeistert, dass sie das Bild gekauft hat, Politiker dürfen ja keine Geschenke annehmen.“ Und Daniel Günther hat das Bild über seinem Schreibtisch aufhängen lassen. 2014 hatte die Hamburgerin ein Bild angefertigt, dass der damalige Bundespräsident Joachim Gauck dem norwegischen König Harald V. schenkte. Der Monarch ist begeisterter Segler, nahm mehrfach an Olympischen Spielen teil und wurde sogar Segelweltmeister. Dass die Künstlerin mit viel Aufwand die Segelform der aktuellen königlichen Yacht recherchierte, war jedoch nicht allein dem Respekt vor dem Staatsoberhaupt geschuldet: „Das ist doch selbstverständlich. Wie in der Regatta geht es auch in der Kunst darum, das Beste zu geben.“ Der Inhalt der Schatzkammer im Atelier nährt die Hoffnung, dass sie dieses Prinzip noch für viele Kunstwerke anwenden wird.
Mehr über die Künstlerin unter www.segelbild.de